Dr. Pavel M. Polian
Achtung,
nicht autorisiert. Artikel könnten Fehler enthalten. Nur zum persönlichen
Gebrauch. Weitergabe, sowie Veröffentlichung in anderen Medien sind
verboten.
"DAS
STAATLICHE KOMITEE FÜR VERTEIDIGUNG VERFÜGT...“:
DIE
DEPORTATIONEN DEUTSCHER ZIVILISTEN
AUS
OST- UND SÜDOSTEUROPA IN DIE SOWJETUNION.
Es
ist bekannt, dass neben Millionen deutscher Kriegsgefangener auch
Zivilisten deutscher Nationalität in der Sowjetunion arbeiteten, und
zwar sowohl Reichsdeutsche als auch Volksdeutsche. Ihre Lage und ihre
Arbeitsbedingungen entsprachen weitgehend
denjenigen der Kriegsgefangenen, es gab jedoch auch Unterschiede.
Selbstverständlich sind Motivation und "Vorgeschichte" des
Einsatzes der Arbeitskraft deutscher Zivilisten in der UdSSR einer
dieser Unterschiede.
Die
Frage der sogenannten "Internierten", die oft auch als
"Mobilisierte und Internierte" bezeichnet wurden, das heißt
also die Frage der Deportation und des Arbeitseinsatzes deutscher
Zivilisten in der UdSSR in den letzten Kriegsmonaten und den ersten
Nachkriegsjahren, umfasst viele unterschiedliche Aspekte und hat ihre
eigene Vorgeschichte und Ihre eigene Bibliographie. Im Westen widmet
sich dieser Frage eine durchaus umfassende, in der Hauptsache auf
Augenzeugenberichten basierende Literatur.
Die von den sowjetischen Deportationen
betroffenen Kontingente sollen als der Bestandteil der Massenvertreibung
der deutschen Bevölkerung fast im ganzen Europa betrachtet. Aber erst
in der 2.Hälfte der 80er und in 90er erschienen die ersten grundsätzlichen
Forschungen, wie, z.B., die dreibändige Veröffentlichung von Münster
Historikern unter der Leitung von H. Weber „Die Deportation von Siebenbürger
Sachsen in der Sowjetunion 1945-1949“. .
Sowie
in der UdSSR als auch in anderen osteuropäischen sozialistischen
Staaten wurde die Deportation der deutschen Zivilisten als
Forschungsgegenstand tabuisiert, die entsprechenden Archive waren bis
Mitte 90er nicht zugängig.
Zum
ersten mal wurde das Thema von rumänischen Präsident N. Ceausescu
in 1966 angesprochen, aber zu den wissenschaftlichen Bewertungen kam es
in Rumänien nur viel später. Die erste dokumentierte Veröffentlichung
von H. Baier „Deportation der ethnischen Deutschen aus Rumänien in die
Sowjetunion in 1945“ erschien auf Rumänisch in 1995 und wurde auf die
Bestände des Staatsarchivs Rumäniens basiert.
Die Materialien des Ministerrates Rumäniens bleiben aber bis jetzt
hinter dem Verschluss, was nur die kräftige Gerüchte ernährt, dass Rumänien die Deutsche Minderheit zum Opfer gebracht hat um eigene
Zivilbevölkerung zu retten.
Gleichzeitig
(auch 1994) erschienen die ersten Publikationen zu diesem Thema in Russland
- die Aufsätze von V. B. Konasov und A.V. Teretschuk, von P. N.
Knyschevskij und von M. I. Semirjaga.
Im Jahre 1995 wurde eine kleine Broschüre von I.I. Tschuchin unter dem
Titel „Das internierte Jugendalter“ veröffentlicht, die die
Geschichte des Lagers Nr. 517 für die internierten Deutschen in
Padosero bei Petrozavodsk sehr detailliert rekonstruiert.
Auch der Schreibende dieser Zeilen ist seit 1995 in der Bearbeitung
dieses Themas, seine ersten Veröffentlichungen sind aber nur 1997-1998
erschienen.
Auch die deutsche Historiker benutzten in Ihren Recherchen teilweise die
russische Quellen, wie, z.B., Günther Klein.
Die wichtigsten Quellen zur diesem Thema befinden sich in
Russland im Dachbestand von s.g. GUPWI. Bis vor kurzem gehörte dieser
Bestand zu s.g. Sonderarchiv, aber nach derer Fusion mit dem RGWA ist es
zum Bestandteil von RGWA geworden. Er enthält die mehrzähligen
Normativakten und Berichterstattungen von GUPWI selbst, sowie auch von
seinen zentralen und regionalen Verwaltungen, einzelnen Lagern bzw.
Lagergruppen, was auch die Rekonstruierung und Darstellung des Lagerlebens
erlaubt.
Auch im GARF trifft man bedeutrnfr Quellen in solchen Beständen
wie das Sekretariat von GULAG (Bt. 9401, Fb.2 – s.g.
„Sondermappen“), das Justizministerium der UdSSR oder Generalstaatsanwaltschaft.
Die Originale von der entscheidendsten Dokumenten (oft mit
Notizen und Vermerken) befinden sich im Archiv des Präsidenten der
Russischen Föderation, (APRF) und zwar im Bestand des Politbüro des
TsK der KpdSU (Bt.3, enthält wichtigste Normativdokumentation im
Original, mit allen Notizen und Vermerken). Die Anordnungen vom GKO
liegen in RGASPI (Bt.644).
Vorbereitung
und Verlauf der Internierung der Deutschen in Südosteuropa
Es
gibt und fast herrscht die Meinung, dass die Bedingung der Auslieferung
der deutschen Minderheit in Rumänien noch in Geheimprotokollen zu dem
Waffenstillstandvertrag stand, der am 12. September 1944 in Moskau
unterschrieben wurde.
Überlassen wir der Zukunft die Klärung dieser Frage, aber bis jetzt
gab es weder Bestätigung, noch Widerlegung von diesen Behauptungen.
Die tatsächliche Entwicklung der
Deportation der deutschen Zivilisten aus Süd-Ost Europa ist im
Gegenteil heute ziemlich genau bekannt, obwohl den genauen Zeitpunkt der
Schlussanweisung Stalins ist bisher nicht bekannt. Jedoch
erstattete am 24. November 1944 der Volkskommissar für Innere
Angelegenheiten L. P. Berija Stalin schriftlich Bericht, dass weisungsgemäß drei Gruppen operativer NKVD- Mitarbeiter in die durch
die Armeen der Zweiten, Dritten und Vierten Ukrainischen Front befreiten
Gebiete Osteuropas abkommandiert worden seien, um innerhalb von 10 Tagen
eine vorläufige Bestandsaufnahme der dort lebenden Personen deutscher
Nationalität vorzunehmen.
Die Leitung dieser Operation oblag dem Stellvertreter Berijas, Apollonov,
und dem Leiter der Hauptabteilung der NKVD-Truppen zur Sicherung des
Hinterlandes, Gorbatjuk.
Zweck
der Aktion war offensichtlich die Identifizierung deutscher Zivilisten für
die Arbeitskräftemobilisierung und deren Deportation zu den aus Moskau
vorgegebenen Bestimmungsorten, mit anderen Worten zur Reparation durch
Arbeit.
Den
operativen Gruppen des NKVD wurden 106 Gruppen der Spionageabwehr
SMERSch (mehr als 800 Personen) beigegeben. Am 5 Dezember berichteten
Apollonov und Gorbatjuk an Berija,
und am 15. Dezember meldete Berija Stalin und Molotov die im
Berichtszeitraum erzielten Ergebnisse.
In den genannten Gebieten wurden 551.049 Personen deutscher Nationalität
festgestellt, davon 240.436 Männer und 310.631 Frauen.
Mit 421.846 Personen befanden sich die meisten dieser Deutschen
in Rumänien, darunter 70.476 arbeitsfähige Männer im Alter zwischen
17 und 45 Jahren. Außerdem wurden 73.572 Personen in Jugoslawien,
50.292 in Ungarn, 4.250 in der Tschechoslowakei und 1.098 in Bulgarien
registriert. Diese Personen waren überwiegend Bürger der betreffenden
Staaten, in denen sie lebten. In Jugoslawien und Rumänien waren sie
teilweise - in der Regel Deutsche mit deutscher Staatsangehörigkeit
(24.694 Personen) - bereits in Lagern interniert worden (in Jugoslawien
betraf dies 16.804 Personen in 22 Lagern, in Rumänien 7.890 Personen in
15 Lagern). Die Verwendung der in diesen Lagern Inhaftierten zum
Arbeitseinsatz war bereits zu diesem Zeitpunkt klar, denn der Männeranteil
betrug in Rumänien 82% aus, in Jugoslawien 59%, wobei in Rumänien 79%
dieser Personen im arbeitsfähigen Alter waren, in Jugoslawien sogar
100%!
Zuerst
sollte die Mobilisierung auf Männer im Alter von 17 bis 45 Jahren
beschränkt werden, was eine Gesamtzahl von 97.484 Personen, nach Abzug
der Arbeitsunfähigen 70.000 Personen, ergab. Berija ersuchte um Stalins
Zustimmung zur Mobilisierung der internierten Deutschen und ihrer
Deportation in die UdSSR, wo sie zur Wiederinstandsetzung der
Kohleindustrie im Donbass (bis zu 50.000 Personen) und der
Schwarzmetallurgie im Süden (bis zu 20.000 Personen) eingesetzt werden
sollten.
Der
Vorschlag wurde gebilligt, allerdings mit Änderungen, die den Einsatz
auch weiblicher Arbeitskräfte anordneten. Bereits am 16. Dezember 1944
gab das GKO die Verordnung Nr. 7161 ss heraus:
"Das
Staatliche Komitee für Verteidigung verfügt:
1.
Alle arbeitsfähigen Deutschen im Alter von 17 bis 45 Jahren (Männer)
bzw. von 18 bis 30 Jahren (Frauen), die sich in den von der Roten Armee
befreiten Gebieten Rumäniens, Jugoslawiens, Ungarns, Bulgariens und der
Tschechoslowakei befinden, sollen mobilisiert und interniert werden, um
sie mit dem Ziel des Arbeitseinsatzes in die UdSSR zu deportieren. Es
wird festgelegt, dass von der Mobilisierung die Deutschen sowohl
deutscher und ungarischer Staatsangehörigkeit als auch die deutschen
Staatsangehörigen Rumäniens, Jugoslawiens, Bulgariens und der
Tschechoslowakei erfasst werden sollen.
2.
Die Leitung der Mobilisierung wird dem NKVD der UdSSR (Gen. Berija) übertragen.
Dem NKVD wird der Auftrag erteilt, die Sammelstellen, die Aufnahme der
Mobilisierten, die Bildung von Transporten und ihre Bewachung während
des Transportes zu organisieren. Die Mobilisierten sind entsprechend der
Entwicklung der deutschen Rückzüge in Transporten zu Sammelstellen in
die UdSSR zu deportieren.
3.
Die Gen. Malinovskij
und Vinogradov
bezüglich Rumäniens und die Gen. Tolbuchin
und Birjuzov
bezüglich Bulgariens und Jugoslawiens sind verpflichtet:
a) die
Mobilisierung und Internierung der in Punkt 1 genannten Deutschen in
Verbindung mit den Regierungsstellen der betreffenden Länder durchzuführen;
b) gemeinsam mit
den Vertretern des NKVD der UdSSR, den Gen. Apollonov und Gorbatjuk,
die Realisierung der notwendigen Maßnahmen, die die Verbringung der
mobilisierten Deutschen zu den Sammelstellen garantieren, in Verbindung
mit den entsprechenden militärischen und zivilen Behörden vorzunehmen.
Die
Gen. Malinovskij und Tolbuchin für Ungarn und den Gen. Petrov
für die Tschechoslowakei sind verpflichtet, durch die Militärbefehlshaber
die notwendigen Verfügungen im Namen des Frontkommandos die
Mobilisierung der Deutschen entsprechend dem Punkt 1 der vorliegenden
Verordnung anzuordnen und gemeinsam mit den Vertretern des NKVD der
UdSSR, den Gen. Apollonov und Gorbatjuk, die Durchführung der
notwendigen Maßnahmen zu leiten, die das Erscheinen der mobilisierten
Deutschen an den Sammelstellen garantieren.
4.
Den mobilisierten Deutschen wird gestattet, warme Kleidung,
Kleidungsvorrat, Bettwäsche, persönliches Geschirr und Lebensmittel,
insgesamt bis zu 200 kg. pro Person, mitzunehmen.
<...>
6.
Alle mobilisierten Deutschen sind zu Arbeiten zur Wiederinstandsetzung
der Kohleindustrie im Donbass und der Schwarzmetallurgie des Südens zu
schicken.
Aus den an ihren
Arbeitsorten angekommenen Deutschen sind Arbeitsbataillone zu je 1.000
Mann zu bilden. Dem NKO (Gen. Golikov) wird aufgetragen,
jedem Bataillon je 12 Offiziere aus den Reihen der für den Dienst in
der Roten Armee nur bedingt Tauglichen zuzuteilen.
7.
Die Organisation der Aufnahme der Internierten an den Arbeitsstellen,
ihre Unterbringung, Verpflegung und ebenso die sonstige materielle
Versorgung der internierten Deutschen und die Organisation ihres
Arbeitseinsatzes wird dem Volkskommissar für Kohle und dem
Volkskommissar für Schwarzmetallurgie übertragen.
<...>
10.
Die Mobilisierung und Internierung der Deutschen ist in der Zeit vom
Dezember 1944 bis Januar 1945 durchzuführen und der Transport an die Arbeitsstellen bis zum 15. Februar 1945 abzuschließen.
Der
Vorsitzende des Staatlichen Komitees für Verteidigung STALIN"
Am
22. Dezember legten die drei NKVD-Generale – Generalmajor A. N.
Apollonov, Generalmajor I. M. Gorbatjuk und Generalleutnant Sladkevich
– dem Gen. Berija den Bericht über ihren Besuch der Militärräte der
2. und 3. Ukrainischen Front am 21./22. 12. 1944 vor:
"[...]
Die Pläne zur Durchführung der Mobilisierung der Deutschen wurden
erstellt und von den Militärräten bestätigt. Gen. Tolbuchin hat einen
Befehl erlassen, durch den alle Armeekommandeure verpflichtet werden:
a) über die Militärbefehlshaber
die Mobilisierung der Deutschen mit der Warnung, dass diejenigen, die
nicht erscheinen, unverzüglich einem Militärtribunal überstellt und
ihre Familien repressiert werden, bekannt zugeben;
b) den Transport
der mobilisierten Deutschen mit den Mitteln der Armee bis zu den
Sammelstellen und Verladebahnhöfen zu organisieren.
Die Frist zum
Abtransport aller Deutschen von der Front wurde mit diesem Befehl auf
den 3. Januar 1945 festgesetzt.
Am
26. Dezember schickte Gen. Tolbuchin ein entsprechendes Telegramm an
Marschall Tito, in dem er darum bat, unverzüglich und vollständig alle
Maßnahmen zur Mobilisierung der Deutschen auf dem Territorium
Jugoslawiens zu gewährleisten.
Zum
Verantwortlichen für die Mobilisierung der Deutschen in Jugoslawien und
ihren Abtransport in die UdSSR wurde Gen. Zapevalin
mit einer Gruppe von Mitarbeitern ernannt. Entsprechende Anordnungen
erteilte Gen. Tolbuchin Generaloberst Birjuzov in Sofia. Gen. Tolbuchin
teilte 50 Offiziere der Roten Armee als Verstärkung unserer operativen
Gruppen ein.
[...]
Von uns wurden ein Entwurf für eine Verordnung der Rumänischen
Regierung über die Internierung der Deutschen und ein Entwurf für eine
Anordnung der Verwaltung der Gendarmerie Rumäniens an ihre lokalen
Organisationen zur praktischen Durchführung der Internierung
ausgearbeitet.
Heute
hat Gen. Vinogradov ein Treffen mit dem rumänischen Premierminister Radescu
vereinbart, dem diese Entwürfe zur Bestätigung vorgelegt werden.
Apollonov,
Gorbatjuk, Sladkevitsch."
Am
26. Dezember übergab dieselbe "Trojka" – Apollonov,
Gorbatjuk und Sladkevitsch – Berija den "Plan der Hauptmaßnahmen
zur Vorbereitung und Durchführung der Operation zur Internierung und
Deportierung der Deutschen in die UdSSR".
Nach diesem Programm wurde ein Stab in Bukarest sowie 10 operative
Sektoren organisiert, davon 6 auf dem Gebiet Rumäniens (einschließlich
Transsylvaniens) und je 2 in Ungarn und Jugoslawien;
das Gebiet der Sektoren wurde in Gebiete der operativen Gruppen
unterteilt. In der Tschechoslowakei und Bulgarien oblag die Leitung der
Operation aufgrund der geringen Anzahl dort ansässiger Deutscher den
Befehlshabern der NKVD-Truppen zur Sicherung des Hinterlandes der
entsprechenden Fronten. Die Operation führten NKVD-Einheiten mit der
Unterstützung zu diesem Zweck vom Frontkommando zugeteilter
Heerestruppen durch (interessant ist, dass auch eine rumänische Armee
zum Einsatz in Ungarn ausgewählt wurde). Die Wachtruppen wurden der Größe
des Kontingentes entsprechend verteilt, wobei 25-30 Soldaten pro
Transport eingeplant wurden.
Es
wurden folgende Fristen festgelegt: a) für Jugoslawien und Ungarn (im
Bereich der 3. Ukrainischen Front) vom 28.12.1944 bis 5.1.1945; b) für
Ungarn (im Bereich der 2. Ukrainischen Front) vom 1. bis 10.1.1945; c) für
Rumänien und Transsylvanien vom 10.1. bis 1.2.1945;
d) für die Tschechoslowakei vom 27.12. 1044 bis 1.1.1945. Innerhalb
dieser Fristen sollten die Internierten an den Sammelstellen
konzentriert, zur Verladestation gebracht, verladen und zu ihrem
jeweiligen Bestimmungsort abtransportiert werden.
Die
westliche Historiker meinen, dass die Festlegung des Operationsbeginnes
zu den Weihnachtsferien kein Zufall war: so viel einfacher wäre es
gewesen die vorgesehene Opfern während des Familienfeiertages zu überraschen.
Obwohl die Tendenz, Feiertage zu ihren Zwecken auszunutzen, zur
NKWD-Taktik ohne Zweifel gehört, der entscheidende Faktor wurde aber
eher der andere, namentlich: man sollte die gleiche NKWD-Truppen im
Laufe der kurzen Zeit mehrere mal einsetzen.
Die
Form der Internierung unterschied sich von Land zu Land praktisch nicht:
das einzige "Privileg", das Rumänien gewährt wurde, war, dass
die Anordnung zur Internierung der Deutschen nicht vom sowjetischen
Kommandanten, sondern vom jeweiligen lokalen rumänischen
Gendarmerieoffizier erlassen wurde. Einer von beiden hatte Listen zur
Hand, die im voraus von den örtlichen Behörden und der Polizei
erstellt und mit der örtlichen kommunistischen Parteizelle (!)
abgestimmt worden waren. In den Dörfern (die vorher von gemischten
Truppen abgesperrt worden waren) wurde die deutsche Bevölkerung zur
lokalen Behörde befohlen, dort wurde ihr die Mobilisierung verkündet
und eine Auflistung der Kleider und Gebrauchsgegenstände, die sie mit
sich führen durfte (nicht mehr als 200 kg Gewicht pro Person)
verlesen, danach wurde sie zunächst in ihre Häuser entlassen und
anschließend zu den Sammelstellen geschickt.
Die
Bewachung auf dem Weg dorthin wurde von lokalen Sicherheitsorganen
unter Kontrolle der sowjetischen operativen Kräfte durchgeführt,
die Sammelstellen wurden vollständig von der sowjetischen Seite
"betreut". Den Internierten wurden Vorräte an warmer Kleidung
und Schuhen und Lebensmittel für 15 Tage in der obengenannten Menge
zugeteilt. Hier wurde auch die Überprüfung der Ankommenden anhand von
Listen zur Bestimmung der tatsächlichen Arbeitsfähigkeit vorgenommen;
die Arbeitsunfähigen (und ebenso Kranke, Schwangere, Frauen mit Kindern
im Alter von 1–1,5 Jahren, Angehörige anderer Nationalitäten,
Priester oder Mönche) wurden ausgesondert und kehrten an ihre Wohnorte
zurück, für die Transporte wurden Namenslisten der Arbeitsfähigen
aufgestellt (wenn auf der Station bereits Transportraum zur Beladung
bereitstand, fand übrigens nicht immer eine Überprüfung statt).
Insgesamt
sollten nach den Berechnungen 103 Transporte (oder 5.677 Waggons)
zusammengestellt und auf den Weg gebracht werden; zu Verladestationen für
die Breitspurbahn wurden Galañi, Adjud-Nou, Sokola und Focåani
bestimmt. Es wurden Namenslisten von Deutschen, die sich dem Erscheinen
entzogen hatten, angelegt und der örtlichen Gendarmerie zur Fahndung, Arretierung
und Übergabe dieser Personen an rumänische, ungarische
etc. militärische Feldgerichte überstellt.
Während
der Durchführung der Operation kam es nicht zu ungewöhnlichen
Exzessen. Es gab zwar einige Fluchtversuche, aber es gelang nur einigen
wenigen zu fliehen (genauer gesagt, vor der Verladung in die
Transportwaggons, nicht selten durch Bestechung der rumänischen
Gendarmen). In Ungarn wurde ein Fall schwerer Vergiftung verzeichnet
(Selbstmordversuch). Es gab in Rumänien zwei Fälle bewaffneten
Widerstandes seitens rumänischer Militärdienstleistender: am 21.
Januar in der Stadt Fegeresch (dabei wurde der Leutnant der
Staatssicherheit Astaf'ev verwundet) und am 28. Januar im Dorf Gîrbovo
(die Sammelstelle wurde unter Beschuss genommen).
Eine
wesentlich gravierendere Gefährdung des "Erfolgs" der
Operation insgesamt bedeutete die (oft absichtliche) Weitergabe
vertraulicher Informationen (das sogenannte "Ausplaudern")
durch die rumänische Seite, die es einigen Deutschen ermöglichte,
rechtzeitig ihre Nationalität oder ihren Wohnort zu wechseln und auf
diese Weise ihrem Geschick zu entgehen. "Desorganisation"
(nach russischem Verständnis) bedeuteten auch die zahlreichen Gesuche
um Befreiung von der Mobilisierung seitens deutscher Frauen, die mit Rumänen
oder mit Vertretern anderer Nationalitäten verheiratet waren (in den
Berichten sowjetischer Offiziere ist abschätzig von Ehen die Rede, die
sogar an den Sammelstellen geschlossen wurden). Außerdem verfügte zum
Beispiel das Polizeikommissariat der Stadt Galañi auf Ansuchen von
Fabriken, deutsche Spezialisten von der Mobilisierung zu befreien, wenn
sie bereits vor 1916 in Rumänien ansässig gewesen waren und rumänische
Verwandte besaßen.
Es
gab allerdings auch seitens der ungarischen Regierung offizielle
Beschwerden wegen "grober Verstöße" bei der Durchführung
der Operation. Am 5. Januar trafen sich Kuznezov, Osokin und
Susmanovitsch aus diesem Anlass mit dem Premierminister Miklosch und
zwei ungarischen Ministern. Infolge dieser Besprechung wurden einerseits
zehn Ungarn von den Sammelstellen entlassen und andererseits der
Hauptbeschwerdeführer, der Gouverneur des Kreises Cige Varga-Antala,
des Amtes enthoben.
Am
6. Januar 1945 empfing Vinogradov (aller Wahrscheinlichkeit nach in
Anwesenheit der obenerwähnten "Trojka") den rumänischen
Premier Radescu
und seine Minister für Auswärtiges und für das Friedensabkommen.
Indem sie auf den Eindruck hinwiesen, den Mobilisierung und Internierung
in der Öffentlichkeit hervorriefen, baten sie, die SKK möge in dieser
Frage offiziell die rumänische Regierung konsultieren, und außerdem
Frauen mit Kindern von der Mobilisierung ausnehmen (die entsprechende
Verringerung der Mobilisierten sollte durch Anhebung der oberen
Altersgrenze für Frauen von 30 auf 35 Jahre kompensiert werden).
Vinogradov war "einverstanden" mit dem letzteren Vorschlag,
beschränkte jedoch das Alter der zu berücksichtigenden Kinder –
nicht älter als 1 Jahr –, letzten Endes wurde jedoch die Altersgrenze
von 30 Jahren beibehalten. Am selben Tag forderte die UdSSR in der Note
Nr. 031 im Namen der SKK von Rumänien, alle arbeitsfähigen in Rumänien
befindlichen deutschen Bürger unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit
zum Arbeitseinsatz einzuziehen. Ihnen wurde das Recht gewährt, persönliche
Gebrauchsgegenstände und Lebensmittel für 15 Tage mitzunehmen, außerdem
erhielten sie das Recht, Briefe und Päckchen zu empfangen und zu
versenden; Verweigerung und Flucht vor der Mobilmachung unterlagen
strenger Bestrafung.
Hauptschauplatz der Mobilisierung
und Internierung der arbeitsfähigen deutschen Bevölkerung in Südosteuropa
wurde Rumänien. Hier befanden sich nicht weniger als drei Viertel des
"Spezialkontingentes", hier saß der Operationsstab und hier
lagen 6 von 10 operativen Sektoren. Die ganze Operation bestand aus zwei
Phasen (vom 11. bis zum 26. Januar und vom 26. Januar bis zum 2.
Februar) und aus drei aufeinanderfolgenden Stadien: zuerst die
Mobilisierung mit Hilfe von Hausdurchsuchungen in den Städten, dann in
den Dörfern, und schließlich wurde ein Kontingent aus der rumänischen
Armee ausgehoben (hauptsächlich, wenn auch nicht ausschließlich,
Mannschaftsdienstgrade ).
An
den Sammelstellen der Provinz Timisch (Operationssektor Nr. 1) wurden
37.113 Personen des "Sonderkontingentes" versammelt, ungefähr
zu gleichen Teilen Männer und Frauen. 5.121 wurden Personen
ausgesondert. Mit Berücksichtigung der 852 Personen, die aus der rumänischen
Armee mobilisiert worden waren, betrug die Gesamtzahl des deportierten
"Sonderkontingentes" 31.992 Personen, davon 16.455 Männer.
Die "Unterbesetzung" im Vergleich mit der von den rumänischen
Behörden vorgelegten Zahl (51.537 Personen) betrug 14.213 Personen
(oder mehr als 1/4), wobei 3/5 dieser Unterbesetzung auf die Städte
Timiåoara, Arad und Reåiña entfielen. Dies veranlasste den Leiter des
Sektors, den Oberst der Staatssicherheit Korotkov, in diesen Städten -
und auch in den Städten mit einem starken deutschen Bevölkerungsanteil
Großrazzien durchzuführen und die Gegend
"durchzukämmen", was, wie er schreibt, gute Ergebnisse
zeitigte. Insgesamt wurden 19 Transporte verschickt.
In
der Provinz Muresch (Operationssektor Nr. 2) waren im voraus 28.292
arbeitsfähige Deutsche erfasst worden, außerdem 4.553 Personen aus den
sogenannten "zusätzlichen Altersstufen" (Männer von 16 und
von 46 bis 48 Jahren und Frauen im Alter von 17 und von 31 bis 32
Jahren), die wahrscheinlich als Reserve oder zweite Wahl für die
Internierung angesehen wurden.
In
den Provinzen Bucegi und Olt (Operationssektor Nr. 3) wurden 49.448
Deutsche registriert, darunter 13.459 unter die Mobilisierung fallende
Personen im arbeitsfähigen Alter. Die Mobilisierung und Internierung führten
rund 11.000 Personen, darunter 1.500 vom NKVD und 9.500 von der rumänischen
Gendarmerie, der Polizei und den "Siguranten"
(Sicherheitsorgane), durch. Neben den bereits im Sektor vorhandenen
Internierungslagern wurden fünf weitere Sammelstellen geschaffen.
Dabei wurden für den Transport der Internierten dorthin sowohl
Transportmittel (Automobile und Lastkraftwagen) der örtlichen Bevölkerung
als auch der rumänischen Armee "mobilisiert". Insgesamt
wurden 15.880 Personen mobilisiert, von ihnen wurden 1.657 ausgesondert
und somit befreit. Am 2.2.1945 waren bereits 13.612 Personen in die
UdSSR befördert worden, die verbliebenen 609 warteten in Ploieåti auf
ihren Abtransport.
Der
vierte Operationssektor auf dem Territorium Rumäniens umfasste Galaz
und vier naheliegende Dörfer.
Hier gab es freilich fast keine deutsche Bevölkerung: in den Listen des
"Sonderkontingentes" waren lediglich 608 Personen verzeichnet.
Von diesen waren am 18.1.1945 418 Personen ausgehoben worden, darunter
353 Männer und 55 Frauen.
In
Ungarn (und in Nordtranssylvanien),
im Bereich der 2. Ukrainischen Front, wurden die Fristen für die
Operation leicht geändert. Sie wurde in zwei Etappen durchgeführt: in
der ersten Etappe, die die Zeit vom 28. (nach einigen Angaben 20.)
Dezember 1944 bis zum 15. Januar 1945 umfasste, wurden 11 operative
Gruppen, die gemeinsam mit den örtlichen Behörden tätig wurden, und
dementsprechend 11 Sammelstellen geschaffen.
Nach Überprüfung der Listen betrug die Zahl der zu internierenden
15.428 Personen. Die Internierung wurde bereits am 30. Dezember
begonnen, und am 5. Januar 1945 waren 12.137 Personen interniert, am 15.
Januar 14.352. Es wurden 1.050 Personen ausgesondert und die überwiegende
Mehrzahl der Restlichen - 13.302 Personen – wurde in 9 Transporten in
die UdSSR deportiert (als Bestimmungsorte fungierten dabei in erster
Linie Chiåinu
und Bendery, aber außerdem auch noch Tscheboksary, Atropschino und
Ust-Aba an der Permer Eisenbahnlinie).
In
der zweiten Etappe, die in der zweiten Januarhälfte durchgeführt
wurde, wurden lediglich fünf operative Gruppen geschaffen (nach den
Erfahrungen mit "der vorhergehenden Operation"), die in
Budapest, Koban'ja-Olsche, Mischkolz, Sereca und Ceglédbercel
disloziert waren. Nach Stand vom 31.1.1945 waren von 7.115 registrierten
Deutschen 454 wegen Krankheit ausgesondert worden. Die übrigen, die
dann bereits als "Sonderkontingent" bezeichnet wurden, wurden
an vier Sammelstellen konzentriert. Alle vier im Januar begonnenen
Transporte hatten den Donbass zum Ziel. Einschließlich der ersten
Etappe der Operation wurden 19.576 arbeitsfähige Deutsche mobilisiert
und in 15 Transporten in die UdSSR deportiert.
Der
Bereich der Dritten Ukrainischen Front umfasste Jugoslawiens und
teilweise auch Gebiete Ungarns; die Operation wurde zwischen dem 23.
Dezember und dem 14. Januar durchgeführt. Die Gesamtzahl der im Bereich
dieser Front Mobilisierten betrug 21.695 Personen, darunter 9.747 Männer
und 11.948 Frauen. Jeweils die Hälfte entfiel auf Jugoslawien und auf
Ungarn – 10.935 bzw. 10.760 Personen. Zu ihrer Deportation wurden 17
Transporte oder 786 Waggons benötigt.
Gemäß der Anordnung von Apollonov begann die Front mit der zusätzlichen
Mobilisierung von weiteren 10.000 Personen, aber in Anbetracht der
schwieriger gewordenen militärischen Situation wurde diese Operation
vorzeitig abgebrochen, nachdem lediglich 879 Personen
"eingesammelt" worden waren.
Um
den 2. Februar herum war die Operation zur Mobilisierung, Internierung
und Deportierung der deutschen Bevölkerung der Balkanländer in die
UdSSR abgeschlossen, worüber Apollonov, Gorbatjuk und Sladkevitsch
Berija per Funk Bericht erstatteten. Insgesamt waren auf dem Balkan
124.542 Personen interniert worden, darunter 66.616 Männer und 57.926
Frauen. 12.190 Personen waren "ausgesiebt" und von den
Sammelstellen entlassen worden. Nach den Angaben des Berichtes waren
112.352 Personen in die UdSSR deportiert worden.
Nach anderen Angaben waren von der Mobilisierung und Internierung auf
dem Balkan und der anschließenden Deportation zur Arbeit in die UdSSR
sogar mehr Menschen betroffen, nämlich genau 112.480 Personen, darunter
61.375 Männer und 51.105 Frauen (s. Tabelle 1). In einer dritten Quelle
wird eine etwas geringere Zahl genannt – 111.831 Personen.
Tabelle 1
Zählung und
Internierung der deutschen Bevölkerung in den Ländern Südosteuropas
|
Gezählt
|
Interniert
|
Länder
|
Männer
|
Frauen
|
Gesamt
|
Männer
|
Frauen
|
Gesamt
|
Rumänien*
|
186.509
|
235.337
|
421.846
|
36.590
|
32.742
|
69.332
|
Ungarn
|
19.024
|
31.268
|
50.292
|
20.989
|
10.934
|
31.923
|
Jugoslawien**
|
32.966
|
40.606
|
73.572
|
3.692
|
7.243
|
10.935
|
Tschechoslowakei
|
1.412
|
2.837
|
4.250
|
49
|
166
|
215
|
Bulgarien
|
524
|
565
|
1.089
|
55
|
20
|
75
|
Gesamt
|
240.436
|
310.613
|
551.049
|
61.375
|
51.105
|
112.480
|
Quelle: GARF, f.9401, op.2, d68, l.144-147; RGWA, f.1p, op.13a, d.5, l.9.
* Einschließlich
484 Deutscher aus dem nördlichen Transsylvanien (darunter 357 Männer
und 127 Frauen).
** Nach dem
Bericht des Stellv. Leiters der GUPVI des NKVD der UdSSR Generalmajor
Schemeny vom 7.9.1945 wurden von Januar bis März 1945 von den Stationen
Sokola-Galañi und Adjud-Nou 111.831 Personen, darunter 12.364 aus
Jugoslawien, in die UdSSR deportiert, was über die Angaben in der
Tabelle hinausgeht.
Am 22. Februar 1945 erstellte Berija einen Entwurf für einen
Ukaz des PVS der UdSSR "Über die Auszeichnung mit Orden und
Medaillen für die Mitarbeiter des NKVD-NKGB für die erfolgreiche Erfüllung
von Sonderaufgaben der Regierung".
Im Begleitbrief zog Berija eine vorläufige Bilanz des Verlaufs der
Operation vom 25.12.1944 bis zum 31.1.1945. An der Operation hatten
10.443 Soldaten und Offiziere der NKVD-NKGB-Einheiten (Truppen zur
Sicherung des Hinterlandes der Roten Armee, Grenzschutztruppen und
sogenannte "Innere Truppen") sowie 664 "Operativniks"
des NKVD-NKGB teilgenommen.
Die
Reaktion der Alliierten auf die sowjetische Deportationen in Balkanen war
offensichtlich negativ. Aber
insbesondere besorgt war... das Dritte Reich! Der Druck auf die UdSSR
auszuüben um diese Deportationen zu stoppen bzw. verhindern war, z.B.,
laut sowjetischen Aufklärungsangaben, eine der Bedingungen Himmlers bei
den Geheimverhandlungen mit Amerikanern und Engländern gewesen, die im
Februar 1945 über die Vermittlung des Roten Kreuzes durchgeführt waren.
Die
Internierung von Deutschen auf dem Territorium des Dritten Reiches
Bisher
war hauptsächlich von Zivilisten
deutscher Herkunft, die keine deutsche Staatsbürger waren, das heißt
in nationalsozialistischer Terminologie von "Volksdeutschen",
die Rede. Die Frage nach der Mobilisierung und Internierung von
"Reichsdeutschen" wurde vorerst zurückgestellt, obwohl die
Kampfhandlungen der Roten Armee sich schon lange (seit Oktober 1944) auf
das Reichsgebiet verlagert hatten.
Für
die massenhafte Internierung von Reichsdeutschen in Deutschland selbst
bedurfte es offensichtlich einer anderen Begründung, z.B., Angriffe auf
Rotarmisten, terroristische Gruppen, Sabotage usw. Unter Berücksichtigung
der "Erfahrung" der eigenen Partisanentätigkeit im Hinterland
der Deutschen wollte die sowjetische Führung Ansätze dazu bereits im
Keim ersticken.
Erster
Schritt in diese Richtung war der Befehl Nr. 0016 vom 11. Januar 1945 an
das NKVD der UdSSR "Über die Maßnahmen zur Säuberung des
Hinterlandes der Front der kämpfenden Roten Armee von feindlichen
Elementen". Mit diesem Befehl ernannte Berija NKVD-
Bevollmächtigte
bei allen Fronten und änderte die Unterstellungsverhältnisse der NKVD-
Truppen zur Sicherung des Hinterlandes der Front,
um etwa 60.000 NKVD- Angehörige für entsprechende
"geheimpolizeilich-militärische Aufgaben" abzustellen.
Entsprechende Lagergebäude sollten innerhalb einer Frist von drei Tagen
bereitgestellt werden
Der
nächste und entscheidende Schritt war die Verordnung GKO Nr. 7467 ss
vom 3. Februar 1945, die vorschrieb, dass man "brutal gegen
Personen vorgehen soll, die bei der Begehung von terroristischen- und
Sabotageakten erwischt werden, indem man sie noch am Ort des Verbrechens
gnadenlos vernichtet".
Was die übrige Zivilbevölkerung betraf, so war im Bereich der 1., 2.
und 3. Weißrussischen und 1. Ukrainischen Front die Mobilisierung
"aller zu physischer Arbeit tauglichen deutschen Männer im Alter
von 17 bis 50 Jahren, die eine Waffe tragen können [vorgeschrieben].
Deutsche, von denen bekannt ist, dass sie in der Deutschen Armee oder im
Volkssturm gedient haben, sollen als Kriegsgefangene betrachtet und in
die Kriegsgefangenenlager des NKVD verbracht werden. Aus den übrigen
mobilisierten Deutschen sollen Arbeitsbataillone von 750 bis 1.200
Personen gebildet werden, die zur Arbeit in der Sowjetunion, in erster
Linie in der Ukrainischen und der Weißrussischen SSR, eingesetzt werden
sollen".
Da
in den besetzten Gebieten Deutschlands legitime Staatsorgane zuerst
nicht vorhanden waren, wurden alle nötigen Verfügungen über die
Mobilisierung im Namen der Frontkommandeure (also von Shukov,
Rokossovskij, Tschernjachovskij und Konev) herausgegeben und die hauptsächliche
praktische "Arbeit" von den durch Berija ernannten NKVD-
Bevollmächtigten (I.A. Serov, L.S. Zanava, V.S. Abakumov und P.
Ja. Meschik) durchgeführt. Zu den Aufgaben des NKVD gehörte auch, die
mobilisierte und überprüfte deutsche Zivilbevölkerung an
Volkskommissariate und Unternehmen in der UdSSR zu überstellen und
entsprechende Begleittruppen zu stellen. Diese Unternehmen mussten Bedarf an Arbeitskräften haben und über Möglichkeiten zu ihrer
Aufnahme, Unterbringung und ihren Arbeitseinsatz verfügen, wie dies in
der bereits ergangenen Verordnung vorgeschrieben war. Also war der
Lavrentij Pavlovi˜ Berija erteilte Auftrag, alle Operationen zur
Mobilisierung und Internierung der Deutschen zu leiten, zumindest
folgerichtig.
Am
6. Februar 1945 erließ Berija unter Bezugnahme auf die Verordnung
des GKO vom 3.2.1945 den Befehl Nr. 0061 an das NKVD der UdSSR,
worin er diese Verordnung konkretisierte: "Im Befehl über das
Erscheinen der mobilisierten Deutschen eine genaue Ordnung einzuführen,
Fristen für das Erscheinen und Sammelstellen. Die mobilisierten
Deutschen zu verpflichten, einen vollständigen Satz Winter- und
Sommerkleidung und Schuhe, nicht weniger als zwei Garnituren Unterwäsche,
eine Garnitur Bettwäsche (Decke, Laken, Kissenbezüge) und auch einen
Lebensmittelvorrat für mindestens 15 Tage bei sich zu führen. Im
Befehl zu verkünden, dass für das Nichterscheinen an den Sammelstellen
die der Mobilisierung Unterliegenden einem Militärtribunal übergeben
werden". Durch diesen Befehl wurden die NKVD- Bevollmächtigten bei
den jeweiligen Fronten verpflichtet, mit dem 10. Februar 1945 beginnend
täglich über den Verlauf der Mobilisierung zu berichten. Den
Stellvertretenden Volkskommissaren des NKVD Kruglov und Tschernyschev
oblag die Kontrolle der Ausführung des Befehls.
Bereits
am 22. Februar 1945 erstattete Berija zum ersten Mal Stalin Bericht über
Beginn und Verlauf der Mobilisierung deutscher Zivilisten. Am 20.
Februar 1945 waren im Bereich der oben genannten vier Fronten - hauptsächlich
in Oberschlesien und Ostpreußen -
28.105 Männer im Alter von 17 bis 50 Jahren mobilisiert worden.
Zwei Monate später, am 10. April 1945, waren im gleichen Bereich 97.487
Deutsche mobilisiert oder festgenommen worden.
Die
Mobilisierung und Internierung von Deutschen setzte sich – neben
anderen Maßnahmen zur "Säuberung des Hinterlandes der Fronten der
Roten Armee von feindlichen Elementen" – mindestens bis Mitte
April bzw. Anfang Mai 1945 fort. In einen Brief an Stalin vom 17. April
1945 berichtete Berija, dass bis zum 15. April 1945 im Rahmen dieser
Operationen insgesamt 215.540 Personen "ausgehoben" worden
seien, darunter 138.200 Deutsche: die anderen waren Polen (38.669), Bürger
der Sowjetunion (27.880), Ungarn (3.200), Slowaken (1.130) und Italiener
(390).
Von
dieser Zahl 215.540 erfassten Personen wurden nur 148.540 tatsächlich
in die UdSSR deportiert, die andern befanden sich entweder in Lagern
oder Gefängnissen an der Front (62.000) oder starben im Verlauf der
Operation oder auf dem Transport (5.000). Die Mehrheit dieser Menschen
waren nach Feststellungen Berijas gewöhnliche (soll heißen nicht mehr
als gewöhnliche) Angehörige verschiedener faschistischer
Organisationen (Gewerkschaften, Arbeiterorganisationen,
Jugendorganisationen), und ihre Aushebung
"wurde seinerzeit von der Notwendigkeit diktiert, das
Hinterland der Front von den feindlichen Elementen zu säubern".
Außerdem
erwies sich der Einsatz eines großen Teils von ihnen zu körperlicher
Arbeit aufgrund ihres Alters oder Gesundheitszustandes als unmöglich:
Mitte April umfasste der reale Arbeitseinsatz deutscher Mobilisierter in
der Kohleindustrie, der Buntmetallurgie, der Torfgewinnung und auf den
Baustellen lediglich 25.000 Personen. Deshalb schlug das NKVD vor,
erstens die Anzahl der Kategorien von Personen, die der Aushebung im
Rahmen der "Säuberung" des Hinterlandes unterlagen drastisch
zu beschränken, zweitens die Deportation der bereits
"Ausgehobenen" in die UdSSR zu beenden, die notwendige Anzahl
von Gefängnissen und Lagern für ihre Haft
in Deutschland selbst zu organisieren und eine Ausnahme nur für
die Verhafteten zu machen, an denen operatives Interesse bestand,
drittens die Materialien über diejenigen Verhafteten, die
offensichtlich schon in die UdSSR deportiert worden waren, daraufhin zu
überprüfen, ob sie nicht inzwischen arbeitsunfähig geworden seien und
deshalb in die Heimat zurückgeschickt werden könnten. Als Berija den
Entwurf eines entsprechenden Befehls vorlegte, ersuchte er für all das
um Stalins Einverständnis. Dieses erhielt er, der folgenden
Randbemerkung auf dem Brief nach zu urteilen, am selben Tag: "Anlässlich
des persönlichen Vortrags von Gen. Stalin bestätigt. 17/IV 45 L.
Berija."
Davon
zeugt auch die Verordnung des GKO Nr. 8148 ss, die vom selben Tag
datiert (17.4.1945) und vorschrieb, die weitere Mobilisierung von
Deutschen im Bereich der Fronten und ihre Deportation in die UdSSR zu
unterbinden.
In dieser Verordnung wurden die 97.487 bereits internierten Deutschen
erwähnt, die nun den entsprechenden Volkskommissariaten der UdSSR
zugeordnet waren.
Vom
nächsten Tag, dem 18.4.1945, datiert der Befehl Nr. 00315 an das NKVD
der UdSSR "Über die teilweise Änderung des Befehls NKVD der UdSSR
Nr. 0016 vom 11. Januar 1945", der die Auflistung der Kategorien
von Personen, die der "Säuberung des Hinterlandes"
unterlagen, wesentlich kürzte (hauptsächlich durch Verzicht auf das
zahlreichste Kontingent – die gewöhnlichen "Mitglieder
verschiedener faschistischer Organisationen"). Personen, die
bereits in die UdSSR deportiert worden waren, sollten nach
entsprechender Überprüfung in die Heimat zurückgeschickt werden, mit
Ausnahme physisch gesunder Menschen, die der Industrie als Arbeiter überlassen
wurden. Für diese Menschen gab es offenbar bereits kein Zurück mehr,
die Tür hinter ihnen – oder vielleicht der Sargdeckel über ihnen –
war bereits zugeschlagen.
Insgesamt
wurden von dieser "Welle" der Internierung insgesamt 155.262
Personen "erfasst", das heißt fast um 2/5 mehr, als von der
ersten, hauptsächlich auf dem Balkan stattfindenden "Welle".
Diese beiden "Wellen" spülten ungefähr 267.000 Personen
fort.
Die
Ergebnisse der Deportation von deutschen Zivilisten
Aber
es gab auch einen prinzipiell wesentlichen Unterschied zwischen der
internierten Bevölkerung der beiden "Wellen" – und zwar in
ihrem Status. Während die ersten "Internierte- Mobilisierte"
genannt wurden (ihnen wurde auch die Bezeichnung "Gruppe G"
gegeben), waren die zweiten "Internierte-
Verhaftete"
(ihnen wurde die Bezeichnung "Gruppe B" gegeben").
Entsprechend
dem NKWD-Befehl Nr. 00101 vom 22. Februar 1945, wurde es vier Kategorien
der filtrationspflichtigen Personen festgestellt. Zur Kategorie “А”
wurden alle Kriegsgefangenen der feindlichen Armeen zugeordnet. Zur
Kategorie “B” (s.g. „Internierten und Verhafteten“) gehörten
folgende Zivilisten: Mitglieder der verschiedenen feindlichen
Organisationen (NSDAP u.a.), regionale und lokale Verwaltungsleiter, Bürgermeister,
Leiter der großen wirtschaftlichen bzw. administrativen Organisationen,
Chef- Redakteure der Zeitungen und Zeitschriften, sowie auch Verfasser
der antisowjetischen Veröffentlichungen, und außerdem (sic!) „das
andere feindliche Element“.
Die Kategorie “В”
umfasste die sowjetische Kriegsgefangenen und die Kategorie “G”
(s.g. „Internierten und Mobilisierten“ - die Arbeitsbataillonen der
Deutschen, die nach den GKO- Verordnungen mobilisiert waren.
Zum
Anfang 1946 schließ NKWD die ersten Zahlenergebnisse der Gesamtoperation. Zur Kategorie „G“ gehörten sich neben 111.831 Männer
und Frauen aus der Balkanstaaten auch 77.741 Menschen aus Oberschlesien und
Ostpreußen (fast ausschließlich Männer). Das bedeutete, dass es
sich zum Kriegsende in der
UdSSR 189.572 Angehörigen der Kategorie “G” befanden. Zusammen mit
18.667 Personen, die aus den NKWD-Lagern nach der Filtrierung auskamen,
betrug ihre Gesamtzahl 208.239 Personen.
Aber
auch die quantitative Verluste bzw. Abgänge waren in dieser Gruppe mehr
als beeindrückend. Zum 1. Februar 1946 sind davon 36,5 % weniger
geblieben, also nur 132.133 Personen. 40.331 Personen aus dem fehlenden
Bestand von 76.106 Personen waren repatriiert, darunter 10.983 Polen,
aber 35.775 Personen sind gestorben (Sterberate von 17,2 %).
Es
wurde außerdem noch 94.601 Internierten und Verhafteten (Kategorie „B»)
in März-Mai 1945 in die UdSSR transportiert. 21.250 Angehörigen dieser
Gruppe wurden repatriiert (darunter 15.597 Polen), 19.270 Personen
wurden in die Arbeitsbataillone und 10.263 in Gefangenenlager übergeben,
17.929 blieben noch bei der Filtrierung. Für die übrige 25.889 Menschen
ist „Tod und andere Grunde“ verzeichnet. Aber eben ohne das Verhältnis
zwischen Tod und „andere Gründe“ zu kennen, ist es doch ziemlich
deutlich dass Sterberate in dieser Gruppe – im Vergleich mit der
Kategorie „G“ - noch höher stehen müssen.
Das
ganze aber bedeutet dass es insgesamt zirka 150-165 Tausend
Zivilinternierte aus Ost- und Südosteuropa, die am Anfang 1945 in die
UdSSR deportiert wurden, ein Jahr später (zum Stand von Februar 1946)
noch in der UdSSR blieben, also kaum die Hälfte!
Die
vollständigsten und beinahe abschließenden Informationen über die
Internierten sind in dem kurzen Bericht vom 20. Dezember 1949 enthalten,
der vom Leiter der GUPVI, Generalleutnant I. Petrov unterzeichnet ist.
Sie sind in der folgenden Tabelle 2 zusammengefasst:
Tabelle 2
Charakteristika der Internierten, Stand
vom 20.12.1949
|
Kategorie
|
|
Gruppe "G"
(mobilisiert)
|
Gruppe "B"
(verhaftet)
|
Japaner
|
Polen der Armia Krajowa
|
Gesamt
|
1. Gezählt %
|
205.520
72,2
|
66.152
23,2
|
5.554
2,0
|
7.448
2,6
|
284.674
100,0
|
2. Repatriiert %
(1945-1949)
|
164.521
77,5
|
36.943
17,4
|
3.968
1,8
|
6.942
3,3
|
212.374
100,0
|
3. Todesfälle und andere % Verluste*
|
40.737
60,7
|
25.719
38,3
|
119
0,2
|
506
0,8
|
67.082
100,0
|
4.Am 1.1.1950 Inhaftierte
%
|
271
5,2
|
3.481
66,7
|
1.467
28,1
|
-
-
|
5.219
100,0
|
Quelle:
RGWA, f.1p, op.01e, d.81,
l.20-21.
* Unter "andere Verluste"
wird hier verstanden: bei Fluchtversuchen Getötete, Ertrunkene oder
Selbstmörder (9 Personen, alle aus der Gruppe "G").
Demnach
waren die 285.000 Personen, die sich mit dem Status der
"Internierten" in der UdSSR befanden, nicht alle
"Westarbeiter" deutscher Nationalität, allerdings stellten
diese die zahlenmäßig größte und dominierende Gruppe. Die
Sterblichkeit in ihren Reihen war mehr als hoch und betrug von 19,2%
unter den "Mobilisierten" (vgl. mit 17,2 % in Februar 1946 –
siehe oben) bis zu 38,9% unter den "Verhafteten" Internierten
(vgl. 6,8 % bei den Polen aus der Armia Krajowa und 2,1 % unter den
Japanern).
Um
das Jahr 1950 war das Arbeitspotential praktisch erschöpft, was auch an
der nahezu abgeschlossenen Repatriierung zu sehen ist; unter denen,
deren Repatriierung noch nicht gelöst war, überwogen ganz klar die
"verhafteten" Internierten, wobei unter ihnen auch der Anteil
der Verurteilten um einiges höher war, darunter auch die Anzahl an
Kriegsverbrechern.
Die
Geographie und der Arbeitseinsatz der Internierten in der UdSSR
Selbst
die Geographie der Dislozierung der Internierten ist beachtlich. Die überwiegende
Mehrheit – mehr als ¾ vom Gesamtkontingent und mehrheitlich Männer -
landeten sich in Donezker Kohlenbecken oder in nahlegende Gebiete des Hüttenwesens
in der Südukraine (siehe in der Tabelle 3).
Weitere
11 % waren im Ural eingesetzt (wo, im Gegensatz, Frauen vorherrschten).
Interessant, dass es relativ kleine Kontingente auch im Nordkaukasus, im
Weißrussland und im Moskauer Gebiet gab. Aus 15 Gebiete mit nur einem Arbeitsbataillon
von den deutschen
Internierten nur
zwei lagen ostwärts von Ural (Kemerowskaja und Aktjubinskaja Gebiete)
und drei im Norden des Europäischen Teiles der UdSSR (Karelo- Finnskaja
Autonome Republik, Archangelsker und Murmansker Gebiete).
Wird
diese Geographie mit den Ansiedlungsgebieten der sowjetischen
Deportierten verglichen, scheint sie viel „humaner“ und sogar privilegierter
zu sein. Eigentlich stimmt sie ziemlich gut überein mit
der Geographie der Zwangsansiedlung der mehreren sowjetischen
Repatriierten, meistens von denen für den Wiederaufbau der Mienen und
Gruben im Donbass „angeworben“ waren (während des Krieges waren
diese Gebiete nicht nur von Zerstörungen, sondern auch von
Zwangsverschleppungen am stärksten betroffen).
Tabelle 3.
Die Geographie der
deutschen Internierten in der UdSSR; auf 01.01.1946
Nr.
|
Gebiete, SSR
bzw. ASSR (Sowjetische Sozialistische bzw. Autonome Sowjetische
Sozialistische Republiken)
|
Zahl der
Arbeitsbataillonen
|
Internierte
|
Anteil der Männer
|
Pers.
|
%
|
%
|
1.
|
Stalinskaja
|
63
|
49.452
|
37,4
|
55,8
|
2.
|
Woroshilowgradskaja
|
30
|
26.015
|
19,7
|
64,6
|
3.
|
Dnepropetrowskaja
|
27
|
18.556
|
14,0
|
61,2
|
4.
|
Tscheljabinskaja
|
6
|
5.185
|
3,9
|
42,8
|
5.
|
Rostowskaja
|
5
|
4.314
|
3,3
|
50,9
|
6.
|
Swerdlowskaja
|
6
|
3.470
|
2,6
|
45,9
|
7.
|
Grusinskaja
SSR
|
4
|
2.972
|
2,2
|
88,8
|
8.
|
Tschkalowskaja
|
3
|
2.780
|
2,1
|
95,0
|
9.
|
Charkowskaja
|
4
|
2.409
|
1,8
|
69,6
|
10.
|
Molotowskaja
|
3
|
1.946
|
1,5
|
41,7
|
11.
|
Saporoshskaja
|
2
|
1.608
|
1,2
|
77,1
|
12.
|
Minskja
|
3
|
1.526
|
1,2
|
100,0
|
13.
|
Komi ASSR
|
2
|
1.357
|
1,0
|
22,3
|
14.
|
Tschuwaschskaja
ASSR
|
2
|
966
|
0,7
|
7,9
|
15.
|
Grosnenskaja
|
2
|
927
|
0,7
|
35,0
|
16.
|
Moskowskaja
|
3
|
877
|
0,7
|
100,0
|
17.
|
Kurganskaja
|
1
|
788
|
0,6
|
7,7
|
18.
|
Severo-Osetinskaja
ASSR
|
2
|
762
|
0,6
|
63,1
|
19-33.
|
Andere
|
14
|
6.243
|
4,8
|
|
|
T
O T A L
|
183
|
132.133
|
100,0
|
58,7
|
Quelle: RGWA,, f.1п,
op.4а, d.21, l.3.
Am
29. Dezember, d.h. 13 Tage nach dem Erscheinen der Verordnung Nr.
7161 ss, gab das GKO zu ihrer Ergänzung die Verordnung
Nr. 7252 ss "Über den Arbeitseinsatz der internierten
Deutschen" heraus.
Zu den interessierten Behörden hatte sich das Volkskommissariat für
Buntmetallurgie (Volkskommissar Gen. Lomako)
hinzugesellt: von 140.000 eingeplanten Arbeitern sollten 20.000 in
dessen Unternehmen eingesetzt werden - die Hälfte der im
Volkskommissariat für Schwarzmetallurgie (40.000) und ein Viertel der
im Volkskommissariat für Kohle (80.000) Vorgesehenen.
Die
Mehrheit der Internierten sollte in die Gebiete von Stalino (56.000) und
Voroschilovgrad (28.000) geschickt werden - hier, aber auch im Rostover
Gebiet (8.500) sollten die Kohlearbeiter überwiegen, während im Gebiet
Dnepropetrovsk (22.500) das Volkskommissariat für Schwarzmetallurgie
der "Monopolist" war. Die Miteinbeziehung des
Volkskommissariates für Buntmetallurgie jedoch bedeutete eine deutliche
Ausweitung der geplanten räumlichen Verteilung der Zwangsarbeiter: die
entsprechenden Unternehmen befanden sich bereits im Ural (allein im
Gebiet Sverdlovsk war der Einsatz von 5.000 Personen geplant), im Gebiet
Leningrad, in Nord-Ossetien und auch in Kasachstan, Usbekistan und
Tadschikistan.
Zur
Lösung dieses Problemkomplexes in den vier ersten obengenannten
Gebieten wurden spezielle Kommissionen bei den Sekretären der
Gebietskomitees (Vorsitzenden), den Gebietsexekutivkomitees, den Leitern
der Verwaltung des NKVD und den Vertretern der interessierten Behörden
gebildet.
Die Kommissionen besaßen das Recht, Räumlichkeiten nicht nur der
beteiligten, sondern auch aller anderen Behörden zu benutzen, die in
der Nähe der ausgewählten Unternehmen lagen. Bereits um den 3. Januar
herum (!) hatten sie dem NKVD der UdSSR Bericht zu erstatten, wie die Maßnahmen
durchgeführt worden waren, darunter auch über den Grad der
Bereitschaft der Unternehmen zur Aufnahme, und die Bestimmungsorte für
die Entladung der Transporte mit den Internierten zu nennen. Die Maßnahmen
zur Vorbereitung und zum Umbau der Gebäude sollten bis zum 15. Januar
abgeschlossen sein, die nutznießenden Behörden sollten ihre bevollmächtigten
Vertreter zu den entsprechenden Unternehmen abkommandieren. Es hieß,
die Offizierskader der Arbeitsbataillone, die von den
Volkskommissariaten gebildet und bezahlt wurden, befänden sich im
aktiven Kriegsdienst mit allen sich daraus ergebenden Rechten,
Verpflichtungen und Vorzügen.
Am
21. Februar erging die Verordnung des
GKO Nr. 7565s "Über die Verteilung der auf dem Territorium der kämpfenden
Fronten mobilisierten Deutschen zur Arbeit in der
Industrie".
Als "erste Ladung mobilisierter Deutscher" wurden 75.000 Personen zwischen
12 Unions- und 2 Republikvolkskommissariaten aufgeteilt, davon waren
67.000 für Ukraine und 18.000 für Weißrussland. Die größten
Abnehmer waren das
Volkskommissariat für Kohle (25.000 Personen), das Volkskommissariat für
Bauwesen (11.000) und das Volkskommissariat für Schwarzmetallurgie
(10.000).
Status
und Situation der Internierten waren durch eine im NKVD ausgearbeitete
"Verordnung über die Aufnahme, die Haft und den Arbeitseinsatz der
mobilisierten und internierten Deutschen" vom 27.05.1945 geregelt.
Nach diesem Dokument wurden die mobilisierten und internierten Deutschen
zu Bau- und Wiederaufbauarbeiten in die Gruben, wichtigsten Fabriken
oder zu Hilfsunternehmen der aufgelisteten Volkskommissariate überstellt,
was bedeutet, dass sie faktisch der Kontrolle der Hauptverwaltung für
die Angelegenheiten der Kriegsgefangenen und Internierten beim MVD der
UdSSR (GUPVI) entzogen wurden. Dies brachte sie in eine bedeutend
schlechtere Lage als die der deutschen Kriegsgefangenen, da die
aufgelisteten Behörden und ihre Unternehmen sie als "verheizbare"
Arbeitskraft ansahen und sich um ihre Versorgung
und ihren physischen Zustand praktisch nicht kümmerten.
Die
aus ihnen gebildeten Bataillone in einer Stärke von 1.000 Personen, die
wiederum zwischen drei und fünf Kompanien bildeten, wurden von durch
das NKO eigens zugeteilten Offizieren befehligt.
Und obwohl die Bataillone finanziell und organisatorisch den
entsprechenden Volkskommissariaten unterstellt waren, blieben sie doch
in Fragen der Bewachung, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Überprüfung
dem NKVD unterstellt, das gleichzeitig auch weitergehende
Kontrollen durchführte. Die Hinweise und Forderungen der Organe des
NKVD wurden mit Priorität befolgt.
Die
Verantwortung für die Versorgung der Internierten mit allem Notwendigen
- von der Verpflegung bis zu kulturellen und sanitären Maßnahmen -
oblag den genannten Volkskommissariaten. Es war vorgeschrieben, sie in
Baracken und anderen provisorischen und festen Gebäuden zu kasernieren,
die einschließlich des Hofes von Stacheldraht und Zaun umgeben und vom
Wachdienst der Volkskommissariate bewacht werden sollten (Männer und
Frauen durften dabei in einer Zone leben, aber in verschiedenen Gebäuden).
In den Gebäuden wurde eine innere Ordnung entsprechend der in den
Lagern des NKVD für Kriegsgefangene herrschenden hergestellt.
Im
Fall eines Verstoßes wurde eine Strafe gemäß den Disziplinarregeln der
Roten Armee verhängt; für mehrfache oder grobe Verstöße gegen die
Disziplin, für Fluchtversuche oder Arbeitsverweigerung konnte man in
die weit entfernt und im Norden gelegenen Sonderinternierungslager des
NKVD gelangen (letztere erhielten auf diese Weise ganz genau dieselbe
Funktion wie die Konzentrationslager im "Dritten Reich"), alle
anderen Verbrechen wurden vor einem Militärtribunal strafrechtlich
geahndet.
Es war Vorschrift, organisiert und
- zwar ohne Bewachung, jedoch in Begleitung der Bataillonsleitung oder
der Wächter - zur Arbeit zu gehen. Das Essen wurde in speziellen
Kantinen nach den geltenden Normen für die Arbeiter der jeweiligen
Betriebe ausgegeben, einschließlich der zusätzlichen Ration für über
die Norm hinaus Arbeitende.
Sie
erhielten - je nach Produktionsnorm -
auch einen Monatslohn, von dem die Kosten für das Essen, die
Unterbringung und die Bettwäsche, die Bewachung und das
Bataillonspersonal und zusätzlich 10% "Zentralkosten"
abgezogen wurden. Kranke oder arbeitsunfähig gewordene Menschen wurden
so lange auf Kosten des Unternehmens versorgt, bis die Frage ihrer Rückkehr
in die Heimat entschieden war.
Man soll betonen, dass der
Arbeitseinsatz der deutschen Kriegsgefangenen und Internierten, mit
seltensten Ausnahmen, nie rentabel gewesen, man sollte ihn ständig
dotieren. Aber in der Realität des sowjetischen Wirtschaftssystems
wurde es die wirtschaftliche Effizienz keinesfalls der entscheidender
Faktor gewesen, Hauptsache war die Aufstellung und Erfüllung der ausgeplanten
Aufgaben. Die von „Westarbeitern“ verrichtete
Zwangsarbeit stand in keinem Sinne im Wiederspruch damit.
Trotzdem
bleibt es höchst interessant die Deportation und die Zwangsarbeit der
internierten deutschen Zivilisten unter dem vergleichenden Betracht zu
halten. Besonders interessant wäre es mit dem Arbeitseinsatz der
sowjetischen Zwangsarbeiter im Dritten Reich – der s.g. Ostarbeiter
– zu vergleichen. Aber auch der Vergleich mit dem Arbeitsschicksal der
deutschen Kriegsgefangenen oder der russischen Zivilbevölkerung,
insbesondere mit der Zwangsarbeit der Sowjetdeutschen im s.g.
„Arbeitsarmee“, die auf den ersten Blick in Organisation und Zielsetzung
so viel Ähnliches mit dem Arbeitseinsatz der „Westarbeiter“ hat.
Aber
nicht nur das scheint erkennbar zu werden. Selbst die Verwendung der Deportation
als des repressiven Mittels der politischen Problemlösung
wurde in beiden Fällen mit sehr großen Ähnlichkeit eingesetzt,
darunter auch in der Technologie und sogar in dem Kreise der Durchsetzer
der Verschleppung. In beiden Fällen ginge
es um die bestraften und massenhaften Kontingente der Menschen, die für
sehr größere Entfernungen abtransportiert waren.
Der
Verstoß gegen das Völkerrecht ist im Fall der Ostarbeiter heutzutage
anerkannt worden, was den rechtlichen Anspruch auf Entschädigung
aufbaute. Aber auch im Fall der Westarbeiter ist der gleiche Verstoß
erkennbar. Ihre Ansprüche auf Entschädigung sind, aus meiner Sicht, völlig
gerechtfertigt.
Quellen und Literaturverzeichnis
Günther
KLEIN. Im Lichte sowjetischer Quellen. Die Deportation Deutscher aus Rumänien
zur Zwangsarbeit in die UdSSR 1945. // Südostdeutsche Vierteljahresblätter.
– München, 1998 (47. Jg). - Nr.2. - S.153-162.
Viktok
KONASOV/Andrej TERESCHTSCHUK. "Budut nemedlenno predany sudu
voennogo tribunala...", in: Russkoe proschloe 5, 1994, S.318-337;
Pavel KNYSCHEVSKIJ, Gosudarstvennyj komitet oborony: metody mobilizacii
trudovych resursov, in: Voprosy istorii 1994, Nr.2 S.53-65;
Wladimir
KOROTAEW (Hrsg.). Ukastel’ fondow inostrannogo proischoshdenija i
Glawnogo Uprawlenija po delam woennoplennych i internirovannych NKWD-MWD
SSSR. Moskwa, 2001, S.253-284.
POLIAN,
Pavel. Westarbeiter: Reparationen durch Arbeitskraft. Deutsche Häftlinge
in der UdSSR. / Dietmar DAHLMANN/Gerd HIRSCHFELD (Hrsg.). Lager,
Zwangsarbeiter, Vertreibung und Deportation: Dimensionen der
Massenverbrechen in der Sowjetunion und in Deutschland 1933 bis 1945.
Essen, 1999, S.337-367.
POLIAN,
Pavel. Deportiert nach Hause, Wien-München, 2000.
POLIAN,
Pavel. Internierung und Deportation deutscher Zivilisten aus den
besetzten deutschen Gebieten in die UdSSR, in: Andreas HILGER/Michael
SCHMEITZNER/Uwe SCHMIDT (Hrsg.). Diktaturdurchsetzung. Instrumente und
Methoden der kommunistischen Machtsicherung in der SBZ/DDR. Dresden,
2001, S.39-54.
POLIAN, Pavel. Ne po svoej vole... Istorija
i geografia prinuditelnych migrazij v SSSR. Moskwa: OGI, 2001,
S.191-238.
SEMIRJAGA, Michael. Prikazy, o kotorych my ne znali. Stalin
chotel vyvesti iz Germanii v SSSR vsech trudosposobnych nemcev, in:
Novoe vremja 15, 1994, S.56-57.
SSSR
I GERMANSKIJ VOPROS. 22 ijunja 1941 g. - 8 maja 1945, Moskau 1996, S.
TSCHUCHIN,
Ivan. Internirownnaja junost. Istoroja 517-go lagerja internirowannych
nemok NKWD SSSR. Moskva-Petrozavodsk: Memorial, 1995. - 64 s.
ZACH
K., ZACH C. Die Deportation Deutscher aus Rumänien in die Sowjetunion
1945. // Südostdeutsche Vierteljahresblätter. München, 1995 (44. Jg),
S.5-17.
Abkürzungsverzeichnis
APRF – Archiv
Presidenta Rossijskoj Federazii (Archiv
des Präsidenten der Russischen Föderation)
ASSR –
Avtonomnaja Sovetskaja Sozialisticheskaja Respublika (Sowjetische
sozialistische Autonomrepublik)
Bt. - Bestand
GARF
- Gosudarstwennyj Archiv Rossijskoj Federazii (Staatsarchiv der
Russischen Föderation)
Gen.
- Genosse
GKO
- Gosudarstvennyj Komitet Oborony (Staatskomitee der Verteidigung)
GULAG
– Glawnoje Uprawlenije NKWD po lageram (NKWD-Hauptamt für die
Belangen der Lagers)
GUPWI
- Glawnoje Uprawlenije NKWD po delam woennoplennych i internirovannych
(NKWD-Hauptamt des Ministerium des Inneren für die Belange der
Kriegsgefangenen und Internierten)
d.
– delo (Nr.)
DDR
– Deutsche Demokratische Republik
f.
– fond (Bestand)
Fb.
– Findbuch
KGB
– Komitet Gosudarstvennoj Besopasnosti (Komitee der Staatssicherheit
der UdSSR)
KpdSU
– die Kommunistische Partei der UdSSR
MVD
– Ministerstvo Vnutrennych del (Ministerium für Innern der UdSSR)
NKGB
- Narodnyj Komissariat Gosudarstvennoj Besopasnosti (Volkskommissariat
der Staatssicherheit der UdSSR)
NKVD
– Narodnyj Komissariat Vnutrennych del (Ministerium des Inneren der
UdSSR)
NKO
– Narodnyj Komissariat
Oborony (Volkskommissariat der Verteidigung der UdSSR)
NSDAP
– Nazional-Sozialistische Deutsche Arbeitspartei
op.
– opis’ (Findbuch)
RGASPI
– Rossiskij Gosudarstwennyj Arhiv sozialnoi i polititscheskoj istorii
(Russischen Staatlichen Archiv für die soziale und politische
Geschichte)
RGWA
- Rossijskij Gosudarstwennyj Woennyj Archiv (Russischen Staatlichen
Militärarchiv)
SBZ
- Sowjetische Besatzungzone
SSR
- Sovetskaja Sozialisticheskaja
Respublika (Sowjetische sozialistische Republik)
TsK
– Tsentralnyj Komitet (Zentralkomitee)
UdSSR
– Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken
|